Der Dildo als Spion – wenn Sextoy-Hersteller spionieren

Unsere Schlafzimmer waren noch nie so ganz sicher, wenn es um das Ausspionieren von Geheimnissen ging, denn im Schlafzimmer werden Geheimnisse eben einfach noch am ehesten ausgeplaudert. Dort wo der Mensch am verletzlichsten ist, nämlich nackert, so ganz ohne Schutz, der Technik und der bösen Welt ausgeliefert. Doch dass man jetzt Sexspielzeuge hackt und buchstäblich auf unsere tiefsten Tiefen Zugriff hat, dass geht dann nun doch zu weit. Was passiert, wenn wir selbst unserem Dildo nicht mehr vertrauen können?

Das fragte sich auch ein Paar in Kanada, als es herausfand, dass ihr neues Lieblingsspielzeug, ein ferngesteuerter Dildo, quasi der ganzen Welt Einblick in die Geheimnisse ihres eigenen Schlafzimmers gab – der Spion brauchte noch nicht einmal ein Passwort. Unglaublich? Leider wahr – doch das kanadische Paar hat sich diesen Vertrauensbruch teuer bezahlen lassen.

Unternehmen zahlt 3 Millionen € für Dildo Vertrauensbruch

Es geschah zwar im letzten Jahr und der Fall hat ziemliche Schlagzeilen gemacht. Doch ich bin da gestern erst durch Zufall drüber gestolpert und habe mir das etwas genauer angeschaut. Die Sache wurde selbstverständlich von den Medien ausgeschlachtet, denn so was fällt einem nicht alle Tage in die Hände, auch bei der Welt ließ man sich dazu veführen, einen Artikel darüber zu schreiben. Aber ich greife das hier einfach noch mal auf, für alle die, so wie ich, nichts davon gehört haben.

Bad Vibes beim Liebesspiel – wenn andere mithören

Eine Sexspielzeugfirma wurde verurteilt, eine Geldbuße von über 3 Millionen € zu zahlen, nachdem sie einen “intelligenten Vibrator” ausgeliefert hatte, der die Nutzung der Kunden ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung verfolgte.

Der We-Vibe 4 Plus ist ein Vibrator, der über Bluetooth mit einer Smartphone-App verbunden wird und es dem Partner des Benutzers ermöglicht, das Gerät von jedem Ort der Welt aus fernzusteuern. Nicht nur für Fernbeziehungen ist diese Technologie ein Riesenhit. Das Potenzial für viele Arten von Liebesspiel, ob die Beteiligten nun im gleichen Raum oder kilometerweit entfernt sind, ist natürlich enorm. We-Vibe kam 2008 auf den Markt und bietet seit 2014 Nutzern die Möglichkeit, das Gerät mit der Smartphone-App “We connect” zu koppeln. Die App bietet We-Vibe-Besitzern Zugang zu einer größeren Auswahl an Vibrationsmodi wie “Pulsieren”, “Crescendo”, “Salto” und “Cha Cha Cha”.

Hacker knacken den Dildo

Auf der Def Con Hacking Conference im vergangenen Jahr nun enthüllten zwei Hacker, die nach Meinung des Vertreibers sicher ein bisschen zu viel freie Zeit hatten, dass Daten von diesen innovativen Geräten an Standard Innovation, die kanadische Firma hinter dem We-Vibe, zurückgesendet wurden. Die Hacker warnten, dass diese Informationen zusammen mit persönlich identifizierbaren Informationen wie E-Mail-Adressen auf den Servern von Standard Innovation gespeichert würden. Zu der Zeit, als die Hacker ihre Aussagen veröffentlichten, behauptete Standard Innovation natürlich, dass die Daten ausschließlich für “diagnostische Zwecke” gesammelt wurden.

Die Daten, die dabei übermittelt wurden, beinhalteten genaueste Aufzeichnungen von Temperaturänderungen am Gerät, Datum und Uhrzeit der Benutzung sowie Vibrationsintensität und enthüllte somit Informationen über die sexuellen Gewohnheiten des Benutzers. Es war klar, dass der Vertreiber nicht nur herausfinden wollte, wie man das Batterieleben verlängern oder verkürzen konnte, sondern ganz gezielt Nutzerinformationen wollte und sich diese ganz ungeniert auch holte. Wen wunderts, dass zumindest einige der betroffenen Kunden dies nicht mit Humor nehmen konnten.

Die erste Klage geht ins Haus – sensibelste Daten wurden missbraucht

Zwei Frauen reichten einen Monat nach der Def Con-Präsentation Klage gegen Standard Innovation ein, in der sie behaupteten, das Unternehmen habe die Nutzer nicht über die Datenerhebung “informiert oder gewarnt”. 

Die Klage wurde in einem Bezirksgericht in Illinois eingereicht und beschuldigte Standard Innovation, gegen das Bundesgesetz über den Abhördienst verstoßen zu haben, zusammen mit anderen Datenschutz- und Verbraucherschutzgesetzen.

Jetzt wurde das Unternehmen aufgefordert, insgesamt 5 Millionen USD (3 Millionen €) als Entschädigung zu zahlen – oder bis zu 10.000 USD (8.500 €) pro Kunde. Kunden in den USA, die die mit dem Vibrator verbundene App, We-Connect, nutzen, haben Anspruch auf den vollen Betrag, während diejenigen, die den Vibrator einfach gekauft haben, bis zu 199 $ (170 €) beanspruchen können. 

Im Rahmen der Einigung erklärte sich Standard Innovation bereit, die bereits gesammelten Informationen zu vernichten und künftig keine weiteren Daten mehr zu sammeln. In einer Erklärung sagte das Unternehmen “Bei Standard Innovation nehmen wir die Privatsphäre unserer Kunden und die Datensicherheit ernst”, doch sie haben natürlich auch großes Interesse an detaillierten Informationen über die Nutzung. “Wir haben unsere Datenschutzerklärung verbessert, die App-Sicherheit erhöht, den Kunden eine größere Auswahl an Daten zur Verfügung gestellt und wir arbeiten weiterhin mit führenden Datenschutz- und Sicherheitsexperten zusammen, um die App zu verbessern. “Mit dieser Vereinbarung kann sich Standard Innovation weiterhin auf die Herstellung neuer, innovativer Produkte für unsere Kunden konzentrieren.”

Das Internet der Dinge in unserem Sex Life?

Die Nachricht über den Spionage Dildo fiel doch glatt mit einem Bericht der National Crime Agency (NCA) und des Nationalen Cybersicherheitszentrums (NCSC) zusammen, welche davor warnte, dass internetverbundene Geräte von Cyber-Kriminellen ins Visier genommen werden könnten, die Nutzer dazu zwingen, ihre persönlichen Daten gegen hohe Lösegelder wiederzukaufen. Cesar Cerrudo, Chief Technology Officer bei der Cyber-Sicherheitsfirma IOActive, kommentierte den Fall bei We-Vibe und sagte, dass dies ein größeres Problem innerhalb der so genannten Internet of Things (IoT- Internet der Dinge) -Industrie darstelle. “Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie IoT-Geräte ohne angemessene Berücksichtigung der Privatsphäre und mit gravierenden Sicherheitslücken auf den Markt gebracht werden”, sagte er. “Wir verbinden immer mehr dieser Geräte mit dem Internet, und die Hersteller üben wirklich keine Sorgfaltspflicht aus, was auf lange Sicht sehr kostspielig sein wird.”

Quelle Fotos: Pixabay, CC0 Creative Commons